Birgit Loos

Der Enkel-Trick

Wie jeden Morgen war das Starbucks überlaufen. Roberta fragte sich erneut, wo die Menschen in früheren Jahren ihren Kaffee getrunken hatten, als es keinen Coffee-to-Go gab. In den guten alten Zeiten, wo das Getränk in einer Porzellantasse serviert wurde. Damals besuchte man kleine, gemütliche Cafés. Keine überlaufene Gastronom-Betriebe, in denen man Schlange stand, um an sein bisschen Koffein zu kommen. Sie verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Dies war ihr tägliches Brot. Jeden Morgen kam sie hier her, um ihren Becher mit dem braunen Getränk in Empfang zu nehmen.
Tag für Tag nahm sie sich vor, frühzeitig aufzustehen. Ihren Kaffee selbst zu kochen. Diesen dann in aller Gemütlichkeit aus ihrem geliebten Kaffeebecher, den sie von ihrer Oma geschenkt bekommen hatte, zu schlürfen. Die Wirklichkeit sah anders aus. Jeden Morgen hetzte sie aus dem Haus, rannte zum Bahnhof, wo sie in letzter Minute die S-Bahn erwischte. Eingeklemmt stand sie zwischen hunderten von Menschen, die alle so übernächtigt und geschafft aussahen, wie Roberta sich fühlte. Ihre Belohnung für die morgendliche Hetzjagd war dann der Becher Kaffee bei Starbucks.
Sie nippte an dem heißen Getränk. In diesem Moment klingelte ihr Handy. Ihr Blick fiel auf das Display. Die Anruferin war ihre Großmutter. Sofort sorgte sie sich. Roberta liebte ihre Oma. Ein Anruf zu dieser frühen Stunde ängstigte sie.
„Omi, was ist los?“, rief sie aufgeregt in das Smartphone.
„Das wollte ich gerade von dir wissen, Rotschopf,“ erklärte die Großmutter nicht minder fahrig, wie Roberta.
„Rotschopf“! Sie hasste es, wenn Oma sie so rief. Statt ihren Unmut laut werden zu lassen, konzentrierte sie sich auf das Wesentliche: „Was soll das heißen? Was bei mir los ist? Ich sitze wie jeden Morgen am Bahnhof und trinke meinen Kaffee, bevor ich zur Arbeit gehe. Was sollte sonst bei mir los sein? Sag mir lieber, warum du mich um diese Uhrzeit anrufst. Wäre ich an deiner Stelle, würde ich noch mindestens drei Stunden schlafen.“
Am anderen Ende war es einen Moment still. Dann erklang die Stimme der Großmutter erneut. Dieses Mal erstaunt, fast ungläubig: „Du bist auf dem Weg zur Arbeit? Ich dachte, du bist in Urlaub. In Thailand oder war es Bali? Keine Ahnung. Es war etwas Asiatisches.“
Roberta schüttelte den Kopf. Seit wann war ihre Oma dermaßen konfus. Das waren hoffentlich nicht die Anzeichen einer beginnenden Demenz.
„Oma, wie kommst du denn auf die Idee? ich habe dir erst kürzlich erzählt, ich musste meinen Urlaub wegen meiner Kollegin verschieben.“
„Genau! Das habe ich dem jungen Mann auch gesagt. Doch der meinte, man habe eine andere Lösung gefunden. Deshalb wärst du im Moment in Thailand oder Bali. Wo bist du jetzt genau, Rotschopf?“
Die ganze Geschichte kam ihr von Minute zu Minute seltsamer vor. Von welchem jungen Mann sprach ihre Großmutter? Und was erzählte dieser Kerl für einen Unfug, von wegen ihres Urlaubs. „Ich bin hier, Oma! Mein Urlaub wurde abgesagt. Mit welchem jungen Mann hast du gesprochen? ich verstehe nur Bahnhof und abfahren.“
Ein abgrundtiefer Seufzer ertönte aus der Leitung. „So ein netter junger Mann hat mich angerufen. Sooo höflich. Charmant und so hilfsbereit.“ Einen Moment war Ruhe. Dann fuhr die Oma fort: „Aber wenn du gar nicht in Urlaub bist, hat der kleine Mistkerl mich belogen.“
Roberta lachte leise: „Ja, das scheint mir auch so.“ Sie sah auf die Uhr. Langsam wurde es Zeit für sie, mit ihrem Tagesablauf fortzufahren.
„Dann brauchst du auch kein Geld für die Heimreise? Dir hat niemand den Geldbeutel gestohlen mit deinen Ausweisen und Flugtickets?“, unterbrach Oma Robertas Gedanken über die Arbeiten, die heute vor ihr lagen:
„Ich wollte nämlich nachher gleich zur Bank gehen und das Geld abheben. Der nette Herr Wolf, so hieß der junge Mann, will gegen Mittag vorbeikommen und das Geld abholen.“
In Roberta sprangen sämtliche Warnlichter an. „Wie bitte!“, schrie sie in das Telefon.
„Ja, er sagte. Er müsse geschäftlich nach Thailand oder Bali – warum kann ich mir das einfach nicht merken. Wenn man alt wird...“
„OMA!“, schrie Roberta. „Erzähl weiter!“
„Schrei mich nicht so an, Rotschopf! Also wo war ich? Ach ja! Er sagte mir, er würde dich dort – irgendwo in Asien – treffen und dir das Geld dann überreichen. Aber das war alles gelogen. Glaub ja nicht, ich bin plemplem. Ich bekomme schon mit, wenn mich jemand für blöd verkaufen will. Was meinst du, weshalb ich heute Morgen versucht habe dich zu erreichen. Auch wenn der Herr Wolf mir sagte, dein Handy wäre ebenfalls geklaut worden. So ohne weiteres gebe ich mein Geld nicht her.“
Roberta bekam Angst. Das klang nach Betrug.
„Oma! Ruf sofort die Polizei an!“, verlangte sie deshalb erneut.
„Meinst du wirklich?“ In der Stimme ihrer Großmutter schwang Skepsis mit. Roberta legte sich ins Zeug, um sie von der Notwendigkeit einer Anzeige zu überzeugen. Letztendlich gab ihre Oma nach. Trotzdem hatte Roberta nach Beendigung des Gespräches Ameisen im Bauch. Ihre Gedanken fuhren Karussell. Sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren war ihr unmöglich. Sie gab auf, nahm sich den Rest des Tages frei. Ein Besuch bei der Großmutter war überfällig.

Im Zug ließ sie sich erleichtert auf ihren Sitz fallen. Hoffentlich kam sie rechtzeitig an. Bevor dieser Verbrecher bei ihrer Oma auftauchte. Diese hatte oftmals ihren eigenen Kopf. Nicht auszudenken, was passieren könnte, wenn die alte Dame das Recht in ihre Hände nahm. Roberta brauchte die Gewissheit, Oma war in Sicherheit.

Schräg gegenüber saß ein junger Mann, der sie aufmerksam beobachtete. Seine Blicke ließen Roberta erröten. Normalerweise war sie einem Flirt nicht abgeneigt. Heute hatte sie dafür keinen Nerv. Weshalb sie sein Stieren zu ignorieren versuchte. Leider gelang ihr das nicht. Ihre Augen landeten erneut auf ihrem Verehrer. Ein wissendes Grinsen lief über dessen Gesicht. Er hob die Hand und winkte ihr verschwörerisch zu. Roberta runzelte die Stirn, setzte sich gerade hin. Von diesem Moment an starrte sie mit eisigem Blick aus dem Fenster. Heimlich gestand sie sich ein, der Kerl sah heiß aus. So ein Sahnestückchen bekam man nicht jeden Tag zu sehen. Geschweige denn, dass so ein Model ausgerechnet mit ihr flirtete. Sie ballte die Fäuste. Weil ein Betrüger versuchte, ihre Oma um ihre schwer verdiente Rente zu bringen, war es ihr zeitlich nicht möglich, mit diesem Unterwäsche-Model eine Liebelei anzufangen. Sie hoffte, dieser Ganove würde dafür in der Hölle schmoren. Dort wo es am heißesten war. An ihrem Zielort angekommen, sprang sie auf, rannte praktisch aus dem Bahnhof. Sie beeilte sich. Keinesfalls durfte sie zu spät kommen. Oma brauchte ihre Hilfe.

Roberta klingelte Sturm an der Tür ihrer Großmutter.
„Junger Mann, nicht so stürmisch. Eine alte Frau ist kein...“. Die Großmutter unterbrach sich abrupt. Verblüfft schaute sie ihre Enkelin an, die außer Atem und völlig zerzaust vor ihrer Tür stand. „Was in Gottes Namen machst du denn hier?“
„Ist er schon da? Hast du die Polizei gerufen?“ Roberta drängte sich an der alten Dame vorbei ins Wohnzimmer. Ein älterer Herr mit Stirnglatze und Professorenbrille stand vom Sofa auf. Er lächelte sie freundlich an.
„Schön dich zu sehen, Roberta,“ begrüßte er sie.
„Guten Tag, Herr Jäger. Was machen Sie denn hier?“ Mit dem Nachbarn ihrer Oma hatte sie nicht gerechnet.
„Ich ermittle in einer Strafsache. Ihre Frau Großmutter hat mich um Unterstützung gebeten,“ erklärte er ihr mit einem milden Lächeln.
Roberta nahm an, sie hätte sich verhört: „Sie hat Sie um Unterstützung gebeten? Aber Sie sind doch schon seit Urzeiten pensioniert!“
„Na und?“ Oma stellte sich triumphierend neben ihren Nachbarn. „Deswegen hat er nicht alles verlernt, was er einmal wusste. Demenz haben wir beide nicht. Auch wenn wir gemeinsam mehr als einhundertvierzig Jahre zusammenbringen.“
Fassungslos sah Roberta auf ihre Oma und deren Nachbarn. Ihr Gefühl hatte sie nicht getrogen. Oma und der pensionierter Kommissar von nebenan wanderten auf den Spuren von Miss Marble und deren tattrigen Freund, Mr. Stringer. Es wurde Zeit die Zwei zur Vernunft zu bringen, bevor ein Unglück geschah. Tief holte sie Luft, um mit ihrer Schimpfkanonade los zu legen, da klingelte es an der Tür.
„Da ist er!“, zischte Oma ihr zu. „Versteck dich!“
„Was? Nein!“ Roberta schüttelte vehement den Kopf. „Kommt nicht in Frage. Wir rufen jetzt sofort die Polizei. Wehe du öffnest dem Verbrecher die Tür!“
„Herr Jäger und ich haben das genau besprochen. Wir werden dem jungen Mann einen Denkzettel verpassen, den er nie vergessen wird. So ein charmanter, junger Mann. Wäre schade, wenn er ins Gefängnis käme.“
„Da gehört er auch hin,“ unterbrach Roberta ihre Oma respektlos.
„Woher willst du das denn wissen? Kennst du ihn? Nein! Ich habe mit ihm geredet. Wie ein Serienmörder klang er nicht. Mehr wie ein junger Mann, der in einer finanziellen Notlage ist.“
„Und das weißt du, weil du mit wie vielen Serienmörder in deinem Leben geredet hast?“ Fassungslos griff sie sich an die Stirn. „Oma, denk doch mal nach. Wenn ich jemanden über den Tisch ziehen will, dann bin ich auch charmant und freundlich.“
Es klingelte erneut. Oma sah Roberta eindringlich an: „Ich will das jetzt nicht weiter mit dir diskutieren. Bitte versteck dich und überlasse den Profis das Werk, Roberta.“
Roberta! Nicht mehr Rotschopf. Omas Geduld war am Ende. Bevor sie sich weiter wehren konnte, hatte Herr Jäger sie am Arm gepackt und zog sie in die angrenzende Küche. Er legte den Finger auf die Lippen. Eine klare Aufforderung an sie, still zu sein.
Roberta dachte gar nicht daran.
Sie stürzte zurück ins Wohnzimmer. Mitten im Lauf hielt sie inne. Sie kam sich vor, wie in einem schlechten Film. Der Verbrecher war das Unterwäsche-Model aus dem Zug. Verblüfft sahen sich die beiden an.
„Und wer bist jetzt du?“ Nervös sah der junge Mann sie an. Mit so viel Publikum hatte er nicht gerechnet.
Roberta lächelte verächtlich: „Ich bin Roberta. Die Enkelin. Nachdem meine Oma mich heute Morgen angerufen hat, dachte ich mir. Ich komme dir etwas entgegen und erspare dir den Flug nach Bali. Du kannst mir das Geld gleich hier geben.“
Dem netten charmanten Herrn Wolf entgleisten die Gesichtszüge. Roberta fand die ganze Situation in diesem Augenblick witzig. Das entsetzte Gesicht des Verbrechers, Omas Zorn, weil sie sich eingemischt hatte und Herrn Jägers gebleckte Zähne, der vergeblich auf seinen Einsatz hoffte. So wie es für sie aussah, hatte sie nicht nur dem Halunken die Tour vermasselt.
Der Betrüger drehte sich zu Herrn Jäger um.
„Was soll die Scheiße? Sie haben mir gesagt, ich soll die alte Dame ein bisschen erschrecken. Ich meine, zweihundert Euro sind leichtverdientes Geld. Aber, so war das alles nicht abgesprochen.“
Roberta und ihre Oma sahen sich verblüfft an. Wovon redete der Kerl? Und wieso sah er Herrn Jäger wütend an, so als wäre dieser der Urheber dieses Dramas.
„Du dämlicher, kleiner Pisser. Konntest du nicht deine große Schnauze halten? Verdammt ich hätte es trotz allem noch geschafft, dieser alten Schreckschraube ihr Geld zu entwenden. Aber du musstest ja dein Maul aufreißen. Na gut, dann muss es eben anders gehen.“ Mit Entsetzen sahen Roberta, ihre Oma und der angebliche Betrüger auf Herrn Jäger, der eine Pistole unter seinem Anzug hervorzog und diese auf die Drei richtete.
„Ihr zwei – rüber an die Wand. Und wehe ihr rührt auch nur den kleinen Finger. Sie...“, er deutete mit seiner Pistole auf die Oma. „...geben mir endlich das Geld, das wir heute Morgen bei der Bank abgeholt haben.“
Oma richtete sich in ihrer vollen Größe auf und sah missbilligend auf ihren Nachbarn. „Herr Jäger, ich bin sehr enttäuscht von Ihnen,“ sagte sie mit Nachdruck. „Ich hoffe, bei ihrem nächsten Stuhlgang trifft sie der Blitz.“ Würdevoll wandte sie sich dann ab, öffnete eine Tür ihres Wohnzimmerschrank, wühlte sich durch ihre Akten. Kurz darauf händigte sie Herrn Jäger ihre Ersparnisse in einem Briefumschlag aus.
„Möge es Ihnen Unglück, Tod und Verderben bringen,“ sagte sie.
„Dem kann ich mich nur anschließen,“ erklärte Roberta, stinksauer über den diebischen Nachbarn. Nie im Leben wäre ihr in den Sinn gekommen, dieser, sei ein Verbrecher.

Herr Jäger ignorierte sie beide. Er packte das Geldbündel, dann winkte er mit seiner Pistole den drei Menschen zu.
„Los hier hinein!“
Notgedrungen ließen sie sich von ihm in die Abstellkammer sperren.
„Handys her!“, forderte er dann.
Roberta presste die Zähne zusammen. Sie hatte gehofft, sie könnte - sobald Jäger sie verlassen hatte – die Polizei alarmieren. Leider war der alte Knacker schlau genug, die Gefahr zu erkennen. Er kassierte die Handys von ihr und Herrn Wolf ein, warf sie auf den Boden und zertrat diese. Mit einem hämischen Lächeln schloss er sie in der Kammer ein und verschwand. Mit Omas Moneten.

„So kann man sich in seinen Mitmenschen täuschen,“ sagte Oma bedeutungsschwer.
„Das können Sie laut sagen,“ der charmante Herr Wolf zeigte ein schiefes Lächeln. „Ich dachte, ich verdiene mir auf die Schnelle ein paar hundert Euro und jetzt stecke ich mitten in einem Krimi fest. Mann, oh Mann, wenn ich das meinen Kumpels erzähle.“
„Die warten im Knast bestimmt schon auf ihren Bericht,“ konnte sich Roberta nicht verkneifen zu antworten.
Ein entsetzter Blick traf sie aus seinen stahlblauen Augen: „Wieso denn Knast? ich habe nichts getan.“
Jetzt war es an Roberta ihn verblüfft zu mustern: „Das nennen Sie nichts? Sie wollten meine Oma mit dem Enkel-Trick um ihr Erspartes bringen. Dafür kommen Sie mit Sicherheit in den Knast.“
„Was? Moment mal! So ist das nicht gewesen. Ihr Freund, dieser Herr Jäger, hat mir erzählt, ihre Oma wäre eine schrullige alte Dame, die alles glaube, was man ihr erzähle. Es wäre dringend nötig, die alte Schabracke – entschuldigen Sie bitte, das waren die Worte von Herrn Jäger, nicht meine. Also er meinte, man müsste ihnen drastisch vor Augen führen, wohin es führen kann, wenn man sich nicht absichere. Er bot mir zweihundert Euro, wenn ich den Enkeltrick bei ihnen anwende. Wir würden ihr Geld nehmen und Sie anschließend darüber aufklären, dass Sie Ihre Kohle jetzt verloren hätten, wenn wir Verbrecher gewesen wären. Sein Plan war, ich sollte das Geld von Ihnen annehmen, ihn dann unten an der Haustür treffen und ihm das Geld zurückgeben. Dafür hat er mir zweihundert Euro angeboten. Anschließend wollte er Ihnen die Knete wieder zurückgeben. Nicht ohne sie, nochmals eindringlich darauf hinzuweisen, wie schnell man sein Geld verliert, wenn man zu vertrauensselig ist.“ Herr Wolf unterbrach sich verlegen.
„Schiet, ich glaube den Vortrag sollte ich mir selbst halten. Ich bin so dumm, dass mich die Schweine beißen müssten.“
„Na, dann sind wir schon zu zweit, junger Mann,“ tröstete ihn Oma. „Ich hätte auf den Rotschopf hören sollen und die Polizei einschalten. Aber ich dachte, endlich passiert mal was, in meinem immer gleichen Alltag. Der alte Jäger stimmte mir da völlig zu.“
Der Rotschopf stöhnte.
„Wieso warst du überhaupt da? Der alte Knacker sagte mir, die Enkelin sei in Urlaub. Auf Bali oder Thailand. Deshalb wäre es eine günstige Gelegenheit, weil wir dann auch gleich einen Ansatz hätten.“
Roberta verdrehte die Augen. „Mein Urlaub wurde gestrichen,“ sie sah ihre Oma zornig an. „Wieso erzählst du einem Fremden von meinen Urlaubsplänen. Deshalb dachte dieser alte Knacker, er könne dich gefahrlos über den Tisch ziehen.“
„Außerdem haben sie ihrem lieben Nachbarn auch erzählt, dass sie mehrere tausend Euro auf ihrem Bankkonto haben, weshalb er überhaupt erst auf diese Idee gekommen ist,“ fügte Herr Wolf hilfreich hinzu.
„Wie passen Sie in diese krude Geschichte?“, lenkte Oma gekonnt vom Thema ab. „Woher kennen Sie den alten Fiesling?“
„Ich bin Altenpfleger in dem Pflegeheim, wo Herr Jäger seine Kumpels einmal in der Woche besucht. Da kamen wir ins Gespräch.“
Roberta schüttelte den Kopf: „Ich begreife es nicht. Wie kommt es, dass ein geachteter pensionierter Kriminalbeamter einer alten Frau ihre Ersparnisse raubt. Das passt doch nicht zusammen.“
„Wer ist hier Kriminalbeamter? Der Jäger?“ Herr Wolf riss die Augen auf und sah die Frauen verblüfft an. Diese nickten. Der junge Mann brach in ein wieherndes Gelächter aus.
„Der Wolf und seine Kumpels, die er jede Woche besucht, das sind gewiefte Ganoven, die mehr Zeit im Knast verbracht haben als in Freiheit. Der ist genauso wenig ein Kripobeamter, wie ich FBI-Agent.“
Roberta und Oma brauchten eine Weile diesen Schock zu verdauen. Herr Wolf grummelte:
„So langsam müssten sie kommen?“
„Wer müsste kommen?“ Ein geheimnisvolles Lächeln glitt über sein Gesicht, als er die erstaunten Blicke seiner Mitgefangenen wahrnahm.
„Na, die Polizei. Ich habe den Notruf gewählt, während der Alte deine Oma gezwungen hat, ihm die Kohle auszuhändigen. Die haben alles mitbekommen. Es sollte nicht so schwer sein, mein Handy zu orten.“
„Dein Handy ist kaputt. Schon vergessen?“ Roberta verdrehte die Augen.
„Nee, mein Handy ist völlig intakt. Ich habe dem alten Zausel mein Diensthandy angedreht.“
Zufrieden grinsend lehnte sich Herr Wolf zurück. „Ich bin sicher, in wenigen Minuten haben wir unsere Freiheit wieder. Dann muss die Polente nur noch den alten Zausel finden und deiner Oma ihr Erspartes zurückgeben.“

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